Die Eroberungszeit
Nach der verhältnismäßig späten Gründung des Deutschen Reichs setzte sich dort auch der Kolonialgedanke erst zögerlich durch. Im Gebiet, welches danach in Deutsch-Ostafrika (DOA) einverleibt wurde, hatten voreuropäische Karawanen, europäische Forschungsreisende und letztlich »europäische« Karawanen (der organisatorische und arbeitstechnische Aufwand lag größtenteils in den Händen von arabischen und indischen Geschäftsleuten und der lokalen Bevölkerung) Pionierarbeit geleistet. Dabei wurde bereits für die Verbreitung des Suaheli ins Landesinnere als Lingua franca gesorgt und eigene sozioökonomische Verfahrensmuster und Gesetzmäßigkeiten geschaffen, welche bei der darauffolgenden betrügerischen Annektion bzw. militärischen Eroberung durch die deutsche Kolonisation als Werkzeuge dienen sollten.
Hier einige Eckdaten:
- 1876 – Geographische Konferenz in Brüssel: Gründung der Internationalen Afrikanischen Assoziation (IAA), Wissensstand über Afrika bündeln, Erforschung/»Zivilisierung« des Inneren des Kontinents, Antisklaverei-Beschlüsse
- 1878 – Verschmelzung der Deutschen Afrikanischen Gesellschaft (DAG) als Zweig der IAA und der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Äquatorial-Afrikas (DGEÄA) zur Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland (AGD) → (vgl. Fabian 2001: 31f; Pesek 2005: 108).
- 1884 – Gründung der Gesellschaft für deutsche Kolonisation (GfdK)
- 1884/85 – Berliner Konferenz/Kongokonferenz: eine Art Freihandelsabkommen der 14 Teilnehmerstaaten:
– Vormachtstellung des in Europa eher machtlosen Königreich Belgien bezüglich der Kongofrage (1882-1884) wird indirekt festgelegt.
– Dies wird von Kolonialpropagandisten im Deutschen Reich als Niederlage Bismarcks aufgefasst.
– Rechtszusicherung auf Territorialansprüche für Ersterwerber → Wettlauf um Afrika
→ Grundlage zur Aufteilung Afrikas unter den europäischen Kolonialmächten wie auf dem Reißbrett
– Legitimationsgrundlage als Interventionsgrund – Verbot der Sklaverei bzw. Waffen/Alkohol in manchen Teilen
→ christliche Mission bzw. Kolonialmission als Legitimationsgrundlage für Kolonialerwerb (vgl. Graichen/Gründer 2005: 93ff, 97; Fabian 2001: 32f; Pesek 2005: 108; Reybrouck 2013: 72-75; Tetzlaff 1982: 191; Wehler 1976: 375f). - Bei Carl Peters (1856-1918) handelte es sich 1884 um einen Mitbegründer der Gesellschaft für deutsche Kolonisation (GfdK). Drei Jahre darauf wurde er der erste Präsident der 1885 gegründeten Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft. Zwischen 1884-1892 hielt er sich in Ostafrika auf, um in betrügerischer Absicht Landtitel bei lokalen Oberhäuptern in perfider Weise zu erbeuten. Bei Zwistigkeiten verfolgte er über Erpressungen und Gewaltanwendungen seine Eroberungsziele mit der Politik der »verbrannten Erde« (vgl. Bade 1982: 5; Pesek 2005: 168-179).
- 1887 – Gründung der Deutschen Ostafrika Gesellschaft
→ ethnographisch-anthropologisches Interesse rückt in den Vordergrund ohne räumlich-geographische Aspekte vollständig auszuklammern
1888-1890 – Aufstand der Suaheli-Küstenbevölkerung bzw. der »Buschiri-Aufstand«, in dt. Quellen der »Araberaufstand«
→ Hermann von Wissmann: Kolonialmission unter schwarz-weiß-roter Fahne zur »Befriedung« des Aufstandes, Überlegenheitsgefühl (vgl. Fiedler 2005: 145f).
1891 – Deutsch-Ostafrika wird als »Schutzgebiet« offiziell der Verwaltung durch das Deutsche Reich unterstellt. Die territoriale Umgrenzung der »Interessensphären« entspricht in etwa den heutigen Staatsgrenzen.
Literaturliste
Bade, Klaus J. (1982): Imperialismus und Kolonialmission: das kaiserliche Deutschland und sein koloniales Imperium. In: Bade, Klaus J. (Hrsg.): Imperialismus und Kolonialismus. Kaiserliches Deutschland und koloniales Imperium/ – (Hrsg.: Albertini, Rudolf von/Gollwitzer, Heinz; Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte; Bd. 22) – Wiesbaden: Franz Steiner: 1–28.
Fabian, Johannes (2001): Im Tropenfieber. Wissenschaft und Wahn in der Erforschung Zentralafrikas/ – München: C.H. Beck.
Graichen Gisela/Gründer, Horst (2005): Deutsche Kolonien. Traum und Trauma/ – Berlin: Ullstein.
Pesek, Michael (2005): Koloniale Herrschaft in Deutsch-Ostafrika. Expeditionen, Militär und Verwaltung seit 1880/ – Frankfurt/M., New York: Campus.
Reybrouck, David Van (2013 [2010]): Kongo. Eine Geschichte/ – Berlin: Suhrkamp.
Tetzlaff, Rainer (1982): Die Mission im Spannungsfeld zwischen kolonialer Herrschaftssicherung und Zivilisationsanspruch in Deutsch-Ostafrika. In: Bade, Klaus J. (Hrsg.): Imperialismus und Kolonialismus. Kaiserliches Deutschland und koloniales Imperium/ – (Hrsg.: Albertini, Rudolf von/Gollwitzer, Heinz; Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte; Bd. 22) – Wiesbaden: Franz Steiner, S. 189–204.
Wehler, Hans–Ulrich (1976 [1969]: Bismarck und der Imperialismus/ – (Wissenschaftliche Reihe) – München: dtv.