Christliche Mission

Bei der Kulturmission handelte es sich um die Verknüpfung von religiösen mit weltlichen Motiven, wobei die Missionen
eine Art »katalysatorische Wirkung« entfalteten – eine Transzendenz vom Sakralen zum Säkularen, von Religion in Rich-
tung Politik – wobei vor allem bei den Protestanten ein deutlicher Patriotismus zu spüren war (vgl. Tetzlaff 1982: 201).

Nicht umsonst handelte es sich bei Friedrich Fabri (1824-1891), welcher diese Transzendenz verkörpert und sowohl als „Vater der deutschen Kolonialbewegung« (Bade 1982: 104) als auch Begründer des deutschen Kulturmissionsgedankens tituliert werden kann, um einen neben seiner expansionspropagandistischen Agitation in der Rheinischen Mission tätigen evangelischen Pastor (vgl. ebd.: 104ff).

Der Kulturkampf wurde aus der Metropole Berlin in die Peripherie transferiert, so war z. B. in Deutsch-Ostafrika (DOA) eine deutliche Rivalität zwischen den protestantischen und katholischen Missionsstationen zu spüren (vgl. Becher 2003: 158-164).

Die Gründung der Missionsschulen fand oftmals unter der Duldung lokaler Oberhäupter und Dorfgemeinschaften statt, welche umgekehrt einem unterschiedlich stark ausgeprägten Missionierungsdrang ausgesetzt waren (vgl.ebd.).

Der Missionsauftrag prallte dabei auf die Eigeninteressen (ökonomisch, politisch, sozial, ideell) der kolonisierten Gesell-schaften, wodurch ein Konkurrenzkampf der Missionen mit Verwaltung, traditionellen afrikanischen Vorstellungen, Lebensweisen und Glaubenssystemen, in DOA insbesondere mit dem Islam, entfacht wurde (vgl. ebd.).

Das Schulwesen ging überwiegend in die Hände der Missionen über, welche in Rivalität zu den Regierungsschulen standen, die vornehmlich in den Küstengegenden mit Koranlehrern anzutreffen waren (vgl.ebd.).

Disziplinierungsmaßnahmen, ob rigoros oder subtil, führten zu einer in dieser Form für die afrikanische Bevölkerung bisher unbekannten Raum-, Zeit- und Körperdisziplinierung im Missionsalltag, welche primär auf die »Erziehung zur Arbeit« abzielte (vgl. ebd.).

Diverse christliche Missionsgesellschaften traten nicht nur als Heilsarmee in den Kolonien auf. Neben medizinischer Versorgung und religiösem Sendungsbewusstsein stand die Disziplinierung und zwanghafte Umerziehung der koloniali-sierten Bevölkerung auf der Tagesordnung. Als Motive spielte somit neben der Christianisierung zur Erlangung des »Seelenheils« ihrer »schwarzen Schäfchen« auch die Indoktrinierung von europäischen Wertvorstellungen, insbesondere durch eben diese »Erziehung zur Arbeit«, eine Rolle (vgl. Tetzlaff 1982: 193).

Zwar wurden vereinzelt eigenständige afrikanische Produktionsstätten und Absatzmärkte (cash-crops) unterstützt, auch gab es gewisse konfrontative Elemente gegen den aggressiven Siedlungskolonialismus und dessen rigiden Rassismus, allerdings geriet der Missionsgedanke insbesondere in der Anfangszeit selbst unter den Einfluss von Rassentheorien (bisher wenig erforscht), übte wenig offene Kritik an brutalen Disziplinierungsmaßnahmen und fungierte insbesondere bis 1906 als Hand-langer der Gouverneursverwaltung zur »Befriedung“ von Widerstandsbewegungen im Landesinneren (vgl. ebd.).

Mitunter waren Missionare die Ersten, welche ein gewisses Verständnis für die bereits ansässigen Gesellschaften und Kulturen entwickelten, deren Sprachen erlernten und erste Wörterbücher zusammenstellten. Die Stellung der Missionen oszillierte zwischen den Rollen als »Anwalt der Eingeborenen« und Handlanger des Kolonialismus, wobei Letzteres ganz-heitlich betrachtet überwog. Teilweise kritisierten sie Gräueltaten anderer Kolonisatoren (Kolonialverwaltung, Schutztruppe, Plantagenbesitzer, Siedler, Buren), nahmen aber mitunter auch selber körperliche Züchtigungen vor (vgl. ebd.; Gründer 1982: 160).

Vereinzelt beteiligten sich Missionsbrüder an Strafexpeditionen oder initiierten diese gar wie z. B. in Kamerun (vgl. Gründer 1982: 154), während in DOA solche zwar von Protesten der Missionen begleitet wurden, teilweise von diesen aber auch ihre Legitimierung fanden (vgl. ebd.: 219-223).

Treffen in am Kivusee gelegenen Kissenje (heutige Gisenyi, Ruanda) von »weißen Vätern« der Mission Nyando (?) mit Angehörigen der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika im Jahr 1911 (Photograph: Schott, Julius Hermann (1888-1956) – Sammlung Schott von Lieselotte Gräfin Bülow von Dennewitz – Bildarchiv der Deutschen Kolonialgesellschaft, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main – Standort/Bildnummer: StuUB/083-1710-063)

 

Literatur

Bade, Klaus J. (1982): Zwischen Mission und Kolonialbewegung, Kolonialwirtschaft und Kolonialpolitik in der Bismarckzeit: der Fall Fabri In: Ders. (Hg.): Imperialismus und Kolonialmission. Kaiserliches Deutschland und koloniales Imperium/ – (Hg.: Albertini, Rudolf von/Gollwitzer, Heinz: Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte; Bd. 22) – Wiesbaden: Franz Steiner Verlag: 104-141.

Becher, Jürgen (2003): Die deutsche evangelische Mission. Eine Erziehungs- und Disziplinierungsinstanz in Deutsch-Ostafrika. In: Wirz, Albert/Eckert Andreas/Bromber Katrin: Alles unter Kontrolle. Disziplinierungsprozesse im kolonialen Tansania (1850-1960)/ – Köln: Rüdiger Köppe Verlag: 141-169.

Gründer, Horst (1982): Christliche Mission und deutscher Imperialismus. Eine politische Geschichte ihrer Beziehungen während der deutschen Kolonialzeit (1884-1914) unter besonderer Berücksichtigung Afrikas und Chinas/– (Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart) – Parderborn: Verlag Ferdinand Schöningh.

Tetzlaff, Rainer (1982): Die Mission im Spannungsfeld zwischen kolonialer Herrschaftssicherung und Zivilisationsanspruch in Deutsch-Ostafrika. In: Bade, Klaus J. (Hrsg.): Imperialismus und Kolonialmission. Kaiserliches Deutschland und koloniales Imperium/ – (Hrsg.: Albertini, Rudolf von/Gollwitzer, Heinz; Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte; Bd. 22) – Wiesbaden: Franz Steiner Verlag: 189-204.

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