Sevilla
Die Gründung von Sevilla – der am Guadalquivir (arab. al-wādi al-kabīr, »der große Fluss«) gelegenen Hauptstadt der Autonomen Region Andalusien – führen insbesondere spanische Historiker gerne auf die iberischen Turdetanier zurück. Eventuell handelt es sich auch um eine phönizische Gründung.
Jedenfalls ist inzwischen der nur drei Kilometer von Sevilla entfernt gefundene und im Archäologischen Museum Sevilla zu sehende Goldschatz – der »Tesoro del Carambolo« – nach jahrelangen Unstimmigkeiten nun als phönizisch und nicht tartessisch gedeutet worden.
Bei Tartessos handelte es sich nach antiken Darstellungen um ein sagenhaftes Eldorado, an der Flussmündung des Guadalquivir in den Atlantik. Archäologisch ist die tartessische Kultur materiell greifbar, ohne dass man bisher das sagenhaft reiche urbane Zentrum eindeutig bestimmen konnte. Neuere Indizien deuten nach dem Gebiet des heutigen Huelva, ca. 85 Kilometer Luftlinie von Sevilla entfernt.
Möglicherweise entbehrt dieser Gelehrtenstreit sowieso einer profunden Grundlage. Schließlich war schon lange vorher bekannt, dass die regional übergreifende tartessische Kultur unter dem Einfluss der phönizischen stand. Letztere ist als Produkt von Händlern und Seefahrern, welche ursprünglich aus dem ostmediterranen Raum, dem heutigen Libanon und Syrien, kamen, ohnehin dafür bekannt, Elemente anderer Kulturen aufzunehmen und weiterzureichen.
Es erscheint also nicht abwegig, dass zwischen phönizischer und tartessischer Kultur gar keine klare Trennlinie existierte. Inzwischen wird auch heiß diskutiert, inwieweit wiederum die tartessische von der iberischen Kultur abzugrenzen ist. Kulturen unterlagen schon immer starken Wandlungsprozessen. Bestimmt projizieren wir bei Interpretationen oft die eigenen Vorstellungen hinein, umso ferner ein Ereignis zurückliegt oder eine Gesellschaftsform vergangen ist, desto einfacher ist, dies zu bewerkstelligen.
Bei den Sevillanos erfreut sich jedenfalls die Legende, Herkules bzw. auf Latein Herakles, der sagenhafte Lieblingsheld der Antike, habe mit sechs Säulen den Grundriss der Stadt abgesteckt, welche anschließend vom Feldherren Gaius Julius Cäsar (100-44 v. Chr.) unter dem Namen »Iulia Romula Hispalis« erbaut worden sei, größerer Beliebtheit als wissenschaftliche Deutungen.
Als eine der wichtigsten Städte des Römischen Imperiums und pulsierendes Handelszentrum ging Híspalis in die Annalen ein und findet urkundlich erstmals im Jahr 49 vor Christus Erwähnung.
Im 5. Jahrhundert wurde Sevilla von den Vandalen und sukzessive von den Sueben geplündert, ehe im darauffolgenden Jahrhundert die Stadt Hispalia in die Hände der Westgoten fiel.
Die islamische Zeit
Nachhaltiger hat sich jedoch die lang währende islamische Zeit (712-1248) auf die Stadtentwicklung ausgewirkt. Diese schlägt sich auch im Namen Sevilla nieder, welcher sich vom almohadischen »Isbilya« (arab. Išbīliyya) ableitet.
Im Jahr 712 eroberten die Mauren, islamisierte »Berber« (Endonym/Selbstbezeichnung: Amazigh, Pl. Imazighen), Sevilla und vertrieben die westgotische Adelskaste.
Das Kalifat von Córdoba, zu dessen Herrschaftsgebiet Sevilla von nun an gehörte, wurde 756 von den Umayyaden, einem arabischen Familienclan, ins Leben gerufen.
In den Jahren 844 und 859 wurde die Stadt von Normannen heimgesucht, was zu weitreichenden Zerstörungen führte. Der Emir von Córdoba konnte die Eindringlinge erst nach langen, blutigen Schlachten wieder vertreiben.
Nachdem die Macht des Kalifats von Córdoba bereits seit dem Jahr 1009 bröckelte und nach und nach Taifa-Königreiche entstanden, erklärte eine arabisch-islamische Dynastie, die Abbadiden, Sevilla 1023 für unabhängig. Sie führten Sevilla zu einer ersten Glanzzeit, welche zwar von Ausbeutung, Korruption und Dekadenz, aber auch von religiöser Toleranz und einer Ausgleichspolitik in Form von Diplomatie und Tributzahlungen an das christliche Kastilien geprägt war.
Nach der Eroberung Toledos (1085) durch Kastilien wurde den Almoraviden das ausschweifende Treiben am abbadidischen Hof zu Sevilla zu bunt und machten sich seit 1090 daran, die Taifa-Königreiche zu erobern und ihre Glaubensbrüder einen Kopf kürzer zu machen. Sevilla fiel letztlich im Jahr 1091 in almoravidische Hände und gewann als Hauptzentrum fortan an Bedeutung für al-Andalus.
Spätmittelalter
Im Verlauf der Reconquista wurde Sevilla 1248 nach zweijähriger Belagerung von Kasitlien erobert. Der muslimischen Glaubensgemeinschaft wurde einen Monat Zeit gegeben die Stadt zu verlassen, das ganze Tal des Guadalquivir kurzzeitig quasi entvölkert.
Trotz allem blieb Sevilla das wichtigste wirtschaftliche und politische Zentrum der Region. Im Jahr 1253 verlegte Alfonso X (1221-1284) seine Königsresidenz dorthin, knapp 30 Jahre später wurden Ländereien an christliche Siedler aus dem Norden verteilt (1280), welche jedoch aus Sicherheitsgründen im Grenzgebiet zum Territorium des nassridischen Königreichs von Granada (1237-1492), der letzten islamischen Enklave nach der Großen Reconquista, bald wieder aufgegeben werden mussten.
Dem Erzbischof Don Remondo (gest. 1286 od. 1288) ist, während dessen Amtszeit als Erzbischof (1259-1286), die urbane Aufteilung in 24 Viertel (span. barrios) zu verdanken.In jedem Viertel wurde eine christliche Kirche erbaut, entweder wurden dabei Moscheen umgebaut oder überbaut. Diese Gemeindeorganisation wurde auf andere kastilianische Städte übertragen und fand mit den Gremien der zünftischen Gilden ihre Vervollständigung. Jedem Barrio wurde ein bestimmter beruflicher Sektor zugeteilt.
Sevilla ist heute mit ca. 700 000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Spaniens und verfügt über die größte Altstadt des Landes: